Kozloduy- Zagrazhden (beides in Bulgarien) und Ruhetag
108 km
589 Hm
warm, aufkommender Wind gegen Abend, Wetterumschwung kündigt sich an
Das Zimmer im "Kompleks Radetski" hatten wir extra deswegen gebucht, weil es die Möglichkeit für ein Frühstück geben sollte.
Das erstaunte Gesicht der jungen Frau von der Rezeption wies aber genau auf das Gegenteil hin. Offensichtlich machten wir einen so verärgerten und enttäuschten Eindruck, dass sie uns ein Sandwich, Kaffee und Wasser anbot, was wir gerne annahmen, besser als gar nichts. Relativ spät, kurz vor 10 machten wir uns auf den Weg.
Die Ausfahrt aus Kozloduy verlief ganz problemlos und wir fuhren auf einer nicht so stark befahrenen guten Landstraße. Auf einmal stellten sich uns an einem Kontrollpunkt 3 Polizisten mit Warnweste in den Weg und erklärten uns energisch, dass die Strasse gesperrt ist. Also wieder zurück, 2x links abbiegen und auf einer Parallelstrasse sind wir wieder in der Fahrtrichtung. Die ersten Aufsteller und Schilder tauchen am Straßenrand auf "No Fotos". Wir befanden uns vorher also auf der Zufahrtsstraße zum Atomkraftwerk Kozloduy. Klar, dass die Posten dort keinen Spaß verstanden.
Dem kleineren Hügel am Anfang mit 60 Hm zum Warmwerden folgten dann die zwei schweren Anstiege mit 120 bzw. 180 Hm. Es war für uns extrem. Steigungen bis 11%, und zum Teil schlechte Straßen machten es für uns wirklich schwer. Manchmal kamen wir auf den Schiebestrecken grad mal 100-200 m weit und mussten eine kurze Verschnaufpause einlegen. Diesmal war uns der aufkommende Gegenwind sogar willkommen, weil wir dadurch etwas Abkühlung bekamen. Es waren aber auch beeindruckende Aussichten, die uns für diese Mühen belohnten. Wir fuhren auf einem Höhenrücken und hatten völlig freie Sicht, links auf das rumänische Donautal und rechts auf die riesige bulgarische Tiefebene. Die Donau zog sich wie ein breites Band durch die Landschaft. Sehr schöne Bilder, die wir bestimmt immer im Gedächtnis behalten werden.
In einem kleinen Dorf fanden wir einen besonderen Trinkwasserbrunnen. Aus einer bunt bemalten und beschrifteten Wand kam aus 2 Leitungsrohren eiskaltes Trinkwasser. Einheimische kamen mit dem Auto oder auch gelaufenund und füllten sich in große Trinkflaschen oder Kanister das Wasser ab. Wir füllten auch hier unsere Vorräte auf und erfrischten Gesicht und Hände mit dem kalten Wasser.
Durchgehende Abfahrten von den Bergen gab es diesmal auch nicht, 50 Hm runter, 40 Hm rauf, bergauf, begab und immer so weiter. Die Strecke zog sich sehr in die Länge. Etwa 15 km vor unserem Ziel deutete sich der Wetterumschwung an. Die dunklen Wolken im Rücken und der stärker werden Wind waren sichere Zeichen dafür.
Wir fuhren in den Ort Kozloduy rein. Trostlos, verlassen, wie 1 Tag nach dem Krieg, Dreck, leerstehende Häuser, Ruinen.
Na Hoffentlich klappt das mit der Unterkunft, waren so meine Gedanken, denn ich hatte in einem Blog gelesen, dass es das Hotel (das einzige im Ort) nicht mehr geben soll. Wir sahen auch keine Werbung oder Hinweisschilder eines Hotels.
Begrüßt wurden wir bei der Ortseinfahrt mit einem lauten "Heil Hitler" von einer Gruppe angetrunkener Jugendlicher. Es ist unfaßbar, die waren vielleicht 55-60 Jahre nach dem Krieg geboren. Jetzt hatte ich hier dieses Erlebnis wie im Baltikum vor 2 Jahren, von dem ich gerade erst hier im Blog auch geschrieben habe. Da fehlen mir die Worte.
Ich wäre am liebsten durch diesen Ort durchgefahren, aber es war schon kurz vor 20 Uhr und auch 20 km weiter sollte es keine Hotels geben.
Wir kamen an der Stelle an, wo auch das Hotel sein sollte. Da war auch wirklich kein Hotel. Aber ein Gebäude, was so aussah.
Im Garten arbeitete ein Mann, den ich fragen konnte. Er sagte nur "Chef, Chef" und nahm uns mit. Wir standen auf einmal in einem Kneipenraum mit Tresen und Tischen. Eine Frau war etwas komisch und ich versuchte mit etwas russisch, unsere Lage zu erklären.
"Ah, russkije" sagte sie schon etwas freundlicher, "Nö, nemetskije" war meine Antwort. Jedenfalls wollte sie unsere Ausweise, gab uns dann den Schlüssel für unserer Zimmer und wir hatten erstmal ein Dach über dem Kopf. Der Wortwechsel ging noch etwas hin und her und als Ergebnis sollten wir nach einer halben Stunde wieder im Gastraum zum Essen erscheinen. Es gab den von uns so geliebten Tomatensalat, bulgarische Bifteki und Kartoffeln. Dazu natürlich ein schönes Bier. Der "Chef" saß mit dem Rücken zu uns auch im Gastraum und bekam sein Essen. Er fragte die Frau etwas zu uns, sie gab die Frage an uns weiter und übermittelte dann zurück. Eine sehr merkwürdige Situation. Aber das ganze Haus ist sehr skuril dekoriert. Überall hängen Jagdtrophäen an der Wand, ständig guckt dich von irgendwo irgendein Hirsch an, ein Bärenfell liegt ausgebreitet auf dem Fußboden, ein Wolfsfell auf dem Sofa und die freigeblieben Flächen an der Wand zieren Fotos vom "Chef" mit erlegten Tieren. Der Gipfel ist ein Schrein mit Fotos von ihm und vielleicht wichtigen Leuten und mit einem Bild von Putin, der uns hier bei jeder Mahlzeit zuschaut. Wirklich sehr skuril.
Die Frau wurde immer netter zu uns, brachte uns gestern nach dem Essen sogar noch ein zweites Bier, bevor sie Feierabend hatte. Auf Anfrage von Eric brachte uns "Chef" auch noch ein drittes Bier mit der Ansage "Finito".
Ich habe am Abend noch mit Antje telefoniert, musste dann aber rein ins Haus kommen, weil "Chef" Goodbye sagte und das Haus abschloss. War schon merkwürdig.
Frühstück gab es nicht, dafür Kaffee und Wasser vom "Chef" persönlich. Mittag war die gute Frau wieder da und hatte einen wirklich gut schmeckenden Wels serviert. Am Nachmittag brachte sie uns ein paar Stückchen Melone auf die Terrasse. Ich glaub, sie mag uns.
Der Tag selbst war ein richtiger Ruhetag. Große Wäsche, runter zum Donaustrand, mal die Beine ins Wasser gehalten, auf das Wasser
geschaut, Mittagsschläfchen gerhalten und jetzt warten wir auf das Abendbrot.
Ich wollte mich bei einem Fischer etwas nützlich machen und half dabei mit, das durch den Sturm und die Wellen vollgelaufene Boot auszuschöpfen und dann an Land zu zu ziehen. Kein Wort, kein Blick, kein auf Wiedersehen zum Schluß. Das ist uns hier schon mehrmals aufgefallen, diese Unfreundlichkeit und Desinteresse an uns. Vielleicht sind wir auch immer nur an die falschen Leute geraten.
Gut, dass wir den Ruhetag hier einlegen konnten, denn nach den vergangenen 4 anstrengenden Tagen hatten wir das auch nötig. Außerdem wäre eine Fahrt heute bei dem Wind (Sturm) kaum möglich gewesen.
Wir haben uns die weitere Streckenplanung nochmal angesehen und überlegen, ob wir eine andere Variante fahren.
Die kommenden Tage werden anstrengend genug. Am Dienstag fahren wir nach Ruse über 900 Hm, da machen wir auf jeden Fall wieder Pause. Und dann entscheiden wir von Tag zu Tag. Genau ab hier hat die Donau noch 625 Fluß-km bis zum Schwarzen Meer und wir knapp 700 km noch zu radeln. Dafür haben wir noch Zeit bis zum 25. August. Das ist ein Luxusproblem. Wir sind also fast da.
Übrigens fiel mir nach der Veröffentlichung noch ein, dass wir mehrere Schlangen, meist tot auf der Straße, gesehen haben. Auch leider eine überfahrene kleine Schildkröte.